DGL i.A. nicht lösbar < gewöhnliche < Differentialgl. < Analysis < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 01:27 Do 22.12.2011 | Autor: | Harris |
Hi!
Ich habe mal eine grundlegende Frage zu DGLn.
Es gibt explizit lösbare und nicht lösbare DGLn, das ist mir klar. Mir ist auch klar, dass es ein wahnsinniger Zufall ist, eine über den weg gelaufene Differentialgleichung lösen zu können.
Meine Frage ist nun: Warum? Warum ist die Wahrscheinlichkeit, die Lösung einer zufälligen Differentialgleichung, für die eine Lösung existiert, ermitteln zu können gleich 0 ist. Da muss es doch ein maßtheoretisches Argument dafür geben.
Weiß hierzu jemand etwas?
Gruß, Harris
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(Antwort) fertig | Datum: | 18:20 Do 22.12.2011 | Autor: | rainerS |
Hallo!
> Hi!
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> Ich habe mal eine grundlegende Frage zu DGLn.
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> Es gibt explizit lösbare und nicht lösbare DGLn, das ist
> mir klar. Mir ist auch klar, dass es ein wahnsinniger
> Zufall ist, eine über den weg gelaufene
> Differentialgleichung lösen zu können.
>
> Meine Frage ist nun: Warum? Warum ist die
> Wahrscheinlichkeit, die Lösung einer zufälligen
> Differentialgleichung, für die eine Lösung existiert,
> ermitteln zu können gleich 0 ist. Da muss es doch ein
> maßtheoretisches Argument dafür geben.
Mit Maßtheorie hat das eher nicht zu tun; da musst du differentielle Algebren bemühen.
Ich glaube, du wirfst drei Dinge durcheinander:
1. Die Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung;
2. Die Möglichkeit, diese Lösung explizit anzugeben;
3. Die Lösung durch bekannte Funktionen auszudrücken.
Zu 2: Viele Existenzbeweise liefern auch eine Methode zur Konstruktion der Lösung. Ein Beispiel ist das Picardsche Iterationsverfahren: obwohl in vielen Fällen die Lösungsfunktion als solche nicht bekannt ist, liefert die Iteration eine Funktionenfolge, die gegen in einer Umgebung des Anfangspunktes gleichmäßig gegen die Lösungsfunktion konvergiert.
Mit anderen Worten, du hast eine Lösungsfunktion, nur kannst du sie nicht explizit hinschreiben.
Zu 3: Die DGL $y'(x) = [mm] exp(-x^3)$, [/mm] $y(0)=0$, hat die wohldefinierte Lösung
[mm] y(t) = \integral_0^t e^{-x^3} dx [/mm] ,
nur dass das Integral sich nicht durch bekannte Funktionen ausdrücken lässt.
Viele Grüße
Rainer
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(Frage) beantwortet | Datum: | 22:57 Do 22.12.2011 | Autor: | Harris |
Da geb ich dir recht, so ganz präzise war meine Frage nicht.
Ich formuliere sie mal um:
Angenommen, ich habe eine Differentialgleichung, zu der eine Lösung existiert. Warum kann ich die Lösung fast sicher nicht geschlossen angeben?
Ich hoffe, ihr wisst, was ich meine ;)
Gruß, Harris
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(Antwort) fertig | Datum: | 11:56 Fr 23.12.2011 | Autor: | leduart |
Hallo
schon die einfachsten Dgl, wie f'=a*f oder f''=-f kannst du eigentlich nicht wirklich lösen, sondern nur numerisch. Nur weil diese und andere Dgl in der Anwendung so oft vorkommen gibt es die Lösungen vertafelt, bzw. heutzutage fest einprogrammiiert als e-fkt oder sin- fkt. die sind aber ja auch nur numerisch bestimmt. Ausser den Polynomen gibt es keine wirklich "expliziten" Lösungen.
Nur weil manche Lösungen von Dgl einen Namen haben, sind sie nicht wirklich was du "explizit" nennst.
Kurz: es gibt praktisch keine Dgl. deren lösung man nicht numerisch erhalten kann, du kannst der lösung jeder Dgl einen namen geben, sie programmieren, in deine Programmiersprache einbauen, und dann gibt es plötzlich die Harris(x) oder meine leduart(x) und 2 Dgl weniger, die anscheinend ne explizite Lösung haben.
Gruss leduart
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(Frage) beantwortet | Datum: | 00:48 Sa 24.12.2011 | Autor: | Harris |
Ok! Ich gebe zu, meine Formulierungen sind nicht ganz genau...
Ich verstehe unter einer geschlossenen Lösung das, was Liouville schon als geschlossene Lösung verstanden hat:
"dans le calcus les signes algébriques, exponentiels et logarithmiques",
also algebraische Ausdrucksweisen, sowie Exponentialfunktion mit Umkehrfunktion.
Warum ist in Liouvilles Sinn die Chance, eine Differentialgleichung mit algebraischen, exponentiellen und logarithmischen Zeichen, gleich 0?.
Puh... ich hoffe, jetzt ist es eindeutig ;)
Ach ja... nen schönen heiligen Abend euch :)
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Lösungen von Dgln. erhält man häufig durch Integration. Das Integrieren ist aber i.a. viel schwieriger (bis "unmöglich") als das Differenzieren.
Mit einigen wenigen Ableitungsregeln kann man praktisch alle Kombinationen von Funktionen ableiten, wenn man die Ableitungen der einzelnen Bestandteile kennt (bis hin zu implizien und parametrisierten Funktionen). Alle Ableitungsregeln kann man auf einer DIN-A5-Seite zusamenfassen.
Beim Integrieren gibt es schon für relativ einfache Funktionen wie z.B. [mm] e^{-x^2} [/mm] keine uns bekannte Funktion als Stammfunktion. In einer älteren Ausgabe von Bronsteins Taschenbuch der Mathematik findet man 515 Stammfunktionen zu bestimmten Ausgangsfunktionen, wobei man sein eigentliches Integral erst auf eine dieser Ausgangsfunktionen zurückführen können müsste.
Für [mm] \integral_{-1}^{1}{\wurzel{1-x^2} dx}=\pi [/mm] /2 gibt es z.B. nur die arcsin- (oder arccos-)Funktion als Lösung, aber keine Wurzel- oder Potenzfunktion oder eine Kombination davon; wäre dies der Fall, könnte man [mm] \pi [/mm] viel leichter berechnen, als das möglich ist.
Es ist so ähnlich wie mit den Nullstellen von ganzrationalen Funktionen: Bis zum Grad 4 eines Polynoms gibt es allgemeine Lösungsformeln (p-q-Formel, Cardanische Formeln...), ab 5. Grades aber keine allgemeine Formel mit Hilfe von Wurzeln oder Potenzen (Nils Hendrik Abel, 1824).
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(Antwort) fertig | Datum: | 12:30 Sa 24.12.2011 | Autor: | fred97 |
Nimm irgendeine(!) stetige Funktion f (x,y) in 2 Var. und betrachte die DGL
y'=sin(f(x,y)).
Nach dem Satz vom Peano hat diese DGL eine Lösung !
FRED
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(Frage) beantwortet | Datum: | 16:30 Sa 24.12.2011 | Autor: | Harris |
Hi!
Danke, das klingt vielversprechend! Wenn jedoch $f$ geschlossen lösbar ist, schließst das aus, dass $sin(f)$ geschlossen lösbar ist? Ich denke nicht, oder?
Ich hab mir jedoch einen anderen Ansatz ausgedacht...
Wir betrachten alle DGLs mit einer geschlossenen Lösung. Grenzwertbildung ist ausgeschlossen, da wir nur algebraische, exponentielle und logarithmische Methoden (ich weiß, sind auch Grenzprozesse, aber von Liouville explizit zugelassene). Nun gibt es abzählbar viele algebraische Zeichen (Monome, Rechenarten...) und die e-Funktion mit Logarithmus, sowie Fallunterscheidungen mit abzählbar vielen Fällen.
Jede differenzierbare Funktion, die wir mit diesen Zeichen zusammenstöpseln können, erfüllt abzählbar viele Differentialgleichungen (z.B. haben [mm] $x'=e^t, [/mm] x'=x, [mm] x'=-x+2e^t, [/mm] x(0)=1$ die gleiche Lösung)
Wir betrachten nun die Menge aller geschlossen lösbarer Funktionen. Funktionen, die sich in irgendwelchen Konstanten [mm] ($\neq [/mm] 0$) unterscheiden und fassen diese zu Äquivalenzklassen zusammen. So liegen [mm] $(3+7\sin(t)+exp(sin(log(5t)-4)-2))exp(t\cdot [/mm] log(1.4))$ und [mm] $(-0.52+3\sin(t)+exp(sin(log(t)-4/234)-22))exp(t\cdot [/mm] log(3.4))$ in der selben Äquivalenzklasse.
Nach der Ersetzung konkreter Konstanten in Parameter haben wir somit abzählbar viele (von überabzählbar vielen Ausprägungen der Parameter) Differentialgleichungen, die wir lösen können.
Jetzt fehlt noch der Schritt, dass es überabzählbar viele stetige (von Parametern abhängige) Funktionen gibt, zu denen nach Peano eine Lösung existiert. Dann würden wir wissen, dass viel mehr Lösungen von DGLs mit stetiger rechter Seite existieren, als DGLs mit geschlossenen Lösungen überhaupt.
Aber ich weiß, obiger Beweisversuch ist lückenhaft, unvollständig und führt wahrscheinlich nicht zu einer Lösung. Aber irgendwie sowas habe ich mir vorgestellt.
Ich denke halt, solche Aussagen wie "eine DGL ist i.A. nicht lösbar" oder "die Chance, eine DGL geschlossen zu lösen ist 0" sollten begründet werden.
@fred: Wie war das mit $sin(f(x,y))$ gedacht?
Grüße und schöne Weihnachten :)
Harris
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> Ich denke halt, solche Aussagen wie "eine DGL ist i.A.
> nicht lösbar" oder "die Chance, eine DGL geschlossen zu
> lösen ist 0" sollten begründet werden.
Hallo Harris,
es würde mich interessieren, woher du diese Aussagen
überhaupt hast.
Wenn du dich auf die Allgemeinheit aller prinzipiell
formulierbaren Differentialgleichungen beziehst (ein
Auswahlverfahren solltest du auch noch angeben, damit
man überhaupt von Wahrscheinlichkeiten sprechen kann),
sind die Aussagen vermutlich wahr, aber auch ziemlich
uninteressant. Ähnliches könnte man dann wohl auch
über die Menge "gewöhnlicher" (also nicht Differential-)
Gleichungen sagen.
Sogar die Wahrscheinlichkeit, dass man eine beliebige
reelle Zahl überhaupt aufschreiben bzw. mit endlich
vielen Zeichen exakt definieren kann, ist in dem Sinne,
der dir vorschwebt, gleich 0 ...
LG Al-Chw.
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