Zufallsexperiment < Wahrscheinlichkeitstheorie < Stochastik < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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Hallo,
bei mir haben sich bzgl. des Themas "Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie" bei näherem Hinsehen irgendwie Verständnisprobleme aufgetan..
Gelernt habe ich:
Ein Zufallsexperiment hat folgende Eigenschaften:
- ist beliebig oft wiederholbar
- die Durchführung erfolgt immer unter denselben Bedingungen
- alle möglichen Ergenisse bzw. Elementarereignisse sind vorab bekannt
- das Ergebnis ist zufallsabhängig, dh. vorab nicht bekannt.
In der Theorie so weit, so gut. Ist ja eben auch "nur" eine Theorie, mit Analogien (zB Wahrscheinlichkeit, eine Eins zu würfeln) zum Verständnis.
Aber in der Praxis ist es mMn utopisch, Dinge auf genau dieselbe Art und unter exakt denselben Bedingungen zu wiederholen (zB. wenn man die Variable Zeit berücksichtigt).
Außerdem kommt es mir unmöglich vor, zB. einen Würfel immer auf dieselbe Art zu werfen; mal wirft man mit rechts/ links, anderer Winkel.. Was ist, wenn der Würfel auf der Kippe landen kann, das wäre doch wesentlich unwahrscheinlicher als jedes andere Ereignis; diese "Variablen" fehlen für mich alle in der Berechnung 1:6.
Ich hätte gedacht, man müsste das irgendwie berücksichtigen, zB. in Form unsystematischer Störvariablen oder zu vernachlässigender Gewichtung, aber wie konkret = keine Ahnung.
Ich hoffe das schildert in etwa mein Problem(-denken)..
Kennt vielleicht jemand in dem Zusammenhang empfehlenswerte Literatur (zum Thema Wahrwscheinlichkeitstheorie)? ..die evtl. auch so mehr od. weniger philosophische Gesichtspunkte berücksichtigt und vll Theorie & Praxis verbindet?
Schonmal lieben Dank und
Grüße!
PS:
Ich hoffe, die Frage klingt nicht zu bescheuert (bzw. zu allgemein oder zu sehr nach mehreren Fragen) und ich habe auch das richtige Forum erwischt..
Ich habe diese Frage in keinem Forum auf anderen Internetseiten gestellt.
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Hallo,
> Hallo,
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> bei mir haben sich bzgl. des Themas "Grundlagen der
> Wahrscheinlichkeitstheorie" bei näherem Hinsehen irgendwie
> Verständnisprobleme aufgetan..
>
> Gelernt habe ich:
>
> Ein Zufallsexperiment hat folgende Eigenschaften:
> - ist beliebig oft wiederholbar
> - die Durchführung erfolgt immer unter denselben
> Bedingungen
> - alle möglichen Ergenisse bzw. Elementarereignisse sind
> vorab bekannt
> - das Ergebnis ist zufallsabhängig, dh. vorab nicht
> bekannt.
>
> In der Theorie so weit, so gut. Ist ja eben auch "nur" eine
> Theorie, mit Analogien (zB Wahrscheinlichkeit, eine Eins zu
> würfeln) zum Verständnis.
Ich glaube, dein Denkfehler beginnt hier bereits mit der Verwendung des Wörtchens 'nur'. Die gesamte Mathematik ist Theorie, es gibt nichts theoretischeres als die Mathematik, denn die Begriffe, mit denen sie sich beschäftigt, sind rein abstrakt.
> Aber in der Praxis ist es mMn utopisch, Dinge auf genau
> dieselbe Art und unter exakt denselben Bedingungen zu
> wiederholen (zB. wenn man die Variable Zeit
> berücksichtigt).
Das ist jedoch kein Problem alleine der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dieses Problem hat man fast überall in der angewandten Mathematik, mit einigen Ausnahmen bei diskreten Fragestellungen.
> Außerdem kommt es mir unmöglich vor, zB. einen Würfel
> immer auf dieselbe Art zu werfen; mal wirft man mit rechts/
> links, anderer Winkel.. Was ist, wenn der Würfel auf der
> Kippe landen kann, das wäre doch wesentlich
> unwahrscheinlicher als jedes andere Ereignis; diese
> "Variablen" fehlen für mich alle in der Berechnung 1:6.
Wendet man die Wahrscheinlichkeitstheorie bspw. auf einen realen Würfel an, fängt die Schwierigkeit ja schon damit an, dass es einen 'idealen Würfel' in der Praxis nicht gibt. Ebenso kann man wie du sagst die Abwurfbedingungen nicht reproduzieren.
Die (angewandte) Wahrscheinlichkeitsrechnung besitzt also genauso Modellcharakter, wie es bspw. die Anwendung der Analysis auf Extremwertprobleme oder die Anwendung der Gesetze der Geometrie bspw. auf die Vermessung eines Areals besitzen.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, man könne die Realität mit der Mathematik exakt beschreiben. Von diesem Gedanken sollte man sich so schnell wie möglich verabschieden.
(Diesen Denkfehler begehen oft auch Laien, und die in einigen Ländern wie bspw. in Deutschland vorhandenen massiven Aversionen gegen die Mathematik in weiten Teilen der Gesellschaft könnte u.a. auch damit zu tun haben).
> Ich hätte gedacht, man müsste das irgendwie
> berücksichtigen, zB. in Form unsystematischer
> Störvariablen oder zu vernachlässigender Gewichtung, aber
> wie konkret = keine Ahnung.
Man könnte es verbessern, indem man durch genauere Vermessung bspw. eines Würfels, durch Messung der Luftbewegung und durch eine mechanische Vorrichtung zum Abwurf des Würfels für eine exaktere physikalische Beschreibung des Würfels sowie für kleinere Schwankungen in den Abwurfbedingungen sorgt. Wenn man dies weit genug 'auf die Spitze' treiben würde, dann würde theoretisch (kleines Wortspiel ) irgendwann ein Zustand eintreten, in dem wir den Wurf eines solchen Würfels überhaupt nicht mehr als Zufallsexperiment sondern im Gegenteil als vorhersagbar anschauen würden.
> Ich hoffe das schildert in etwa mein Problem(-denken)..
>
> Kennt vielleicht jemand in dem Zusammenhang empfehlenswerte
> Literatur (zum Thema Wahrwscheinlichkeitstheorie)?
Na ja, in mathematischer Fachliteratur wird in der Regel auf solche Fragen eher wenig eingegangen. Wenn man sich soweit vorgearbeitet hat, dass man sich mit Beurteilender Statistik auseinandersetzen kann, dann spielen diese Fragen ja automatisch ein Stück weit mit hinein.
> ..die
> evtl. auch so mehr od. weniger philosophische
> Gesichtspunkte berücksichtigt und vll Theorie & Praxis
> verbindet?
>
Da bin ich überfragt. Aber nach meiner Kenntnis haben sich Philosophie und Mathematik in den letzten 100 Jahren so weit auseinanderentwickelt, dass mir bspw. kein aktueller Philosoph einfallen würde, der sich in diesem Zusammenhang dann auch wirklich auf die mathematische Theorie einlässt. Dass der Zufall in modernen Philosophien eine gewisse Rolle spielt, scheint mir schon durch die Erkenntnisse der modernen Physik auf Teilchenebene plausibel. Spontan fällt mir jetzt aber auch kein Name bzw. Werk ein.
> PS:
> Ich hoffe, die Frage klingt nicht zu bescheuert (bzw. zu
> allgemein oder zu sehr nach mehreren Fragen) und ich habe
> auch das richtige Forum erwischt..
Im Gegenteil, das ist eine spannende Fragestellung.
PS (@Mods): es wäre IMO zielführend, aus der obigen Frage eine Umfrage zu machen.
Gruß, Diophant
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Hallo Cinnamonsternchen
> Gelernt habe ich:
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> Ein Zufallsexperiment hat folgende Eigenschaften:
> - ist beliebig oft wiederholbar
> - die Durchführung erfolgt immer unter denselben
> Bedingungen
> - alle möglichen Ergebnisse bzw. Elementarereignisse sind
> vorab bekannt
> - das Ergebnis ist zufallsabhängig, dh. vorab nicht
> bekannt.
Das sind die "idealen" theoretischen Voraussetzungen, die für den Aufbau
einer "Wahrscheinlichkeitsrechnung" als Grundlage gemacht werden.
Diese Annahmen dienen dazu, dass man sich überhaupt in systematischer
Weise mit dem Begriff "Wahrscheinlichkeit" auseinandersetzen kann.
Diese Grundlagen für den Aufbau des entsprechenden mathematischen
Teilgebiets wurden vor einigen Jahrhunderten gelegt.
> In der Theorie so weit, so gut. Ist ja eben auch "nur" eine
> Theorie, mit Analogien (zB Wahrscheinlichkeit, eine Eins zu
> würfeln) zum Verständnis.
>
> Aber in der Praxis ist es mMn utopisch, Dinge auf genau
> dieselbe Art und unter exakt denselben Bedingungen zu
> wiederholen (zB. wenn man die Variable Zeit
> berücksichtigt).
> Außerdem kommt es mir unmöglich vor, zB. einen Würfel
> immer auf dieselbe Art zu werfen; mal wirft man mit rechts/
> links, anderer Winkel..
Naja, die "Zufälligkeit" des Würfelspiels beruht ja eben auch
gerade ganz exakt auf dieser Unvorhersagbarkeit im Detail.
Wäre es möglich, einen Würfel wirklich 1000 mal auf die
absolut exakt gleiche Weise (bis in den subatomaren Bereich)
zu werfen, so würde er ja z.B. 1000 Mal das Ergebnis "3 Augen"
liefern !
> Was ist, wenn der Würfel auf der
> Kippe landen kann, das wäre doch wesentlich
> unwahrscheinlicher als jedes andere Ereignis; diese
> "Variablen" fehlen für mich alle in der Berechnung 1:6.
Einen normalen Spielwürfel auf eine Kante oder Ecke zu stellen,
wird dir nicht einmal durch sorgfältiges Balancieren gelingen -
und üblicherweise werden ja Würfel eben so, wie schon ihr Name
sagt, geworfen !
> Ich hätte gedacht, man müsste das irgendwie
> berücksichtigen, zB. in Form unsystematischer
> Störvariablen oder zu vernachlässigender Gewichtung, aber
> wie konkret = keine Ahnung.
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung liefert durchaus auch die
Mittel und Methoden, etwa auch das Spiel mit unregelmäßigen
Würfeln oder anderen Zufallsgeräten zu beschreiben. Man hat
dann einfach anstatt einer gleichverteilten Zufallsvariablen
als Basis eine etwas komplizierter zu beschreibende.
Obwohl die "exakt gleiche" Wiederholung von Experimenten in
vielen Fällen nicht möglich ist, ist z.B. die Annahme einer
Gleichverteilung der Augenzahlen beim Würfelspiel die
plausible und vernünftige Annahme. Man produziert doch
die Spielwürfel möglichst symmetrisch. Wenn's wirklich auf
feinste Details ankommen soll, kann man z.B. die "Augen"
nur aufmalen anstatt durch kleine Eindellungen zu realisieren.
Damit hat man wirklich keinen vernünftigen Grund mehr, etwas
anderes als eine Gleichverteilung der 6 Augenzahlen anzunehmen.
Ein recht großes Problem bei der Anwendung von Wahrschein-
lichkeitsargumenten ergibt sich aber z.B. in der astrophysikalischen
Forschung. Da draußen im Weltall, also z.B. in der Milchstraße,
können wir nun ja wirklich nicht "Experimente" anstellen und
z.B. zwei ausgewählte Sterne zur Kollision bringen, um dann
zuschauen zu können, was da genau passiert. Und vor allem
können wir solche "Experimente" nicht Dutzende Male wieder-
holen. Man muss sich auf das Material beschränken, das man
(zum Teil gesucht, zum großen Teil aber einfach "zufällig")
als Beobachtungsdaten von den Observatorien geliefert bekommt.
Da werden die Überlegungen wirklich oft recht komplex, weil man
einerseits oft nur recht wenig Beobachtungsdaten hat (und deshalb
nur statistische Aussagen auf unsicherer Grundlage machen kann)
und eben: keine Möglichkeit hat, "Experimente" zu wiederholen.
Trotzdem wurden durch die Zusammenarbeit von Tausenden von
Beteiligten mit der Zeit trotzdem viele wissenschaftlich valable
Ergebnisse erzielt.
LG , Al-Chwarizmi
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